Die drei dümmsten Sätze zur Coronakrise
(Spiegel Wissenschaft)
Es gibt im Moment fast kein anderes Gesprächsthema als das Coronavirus. Dabei prallen unterschiedliche Weltsichten, Informationsstände und Anpassungsstrategien aufeinander. Drei Sätze hört man leider besonders oft.
1. "Das ist doch nur wie eine Grippe."
Es ist erstaunlich, aber wahr: Auch nach Tausenden von Toten allein in Italien, nach herzzerreißenden Hilferufen dortiger Krankenhausärzte, nach Bildern von Militärlastern, die Särge abtransportieren und, aus Iran, Bildern von, Massengräbern, hört man diesen Satz immer noch regelmäßig: Covid-19 sei auch nichts wesentlich anderes als ein normales Grippevirus.
Der unglücklicherweise öffentlichkeitswirksamste Vertreter der "hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie bitte weiter"-Position ist der pensionierte Pneumologe Wolfgang Wodarg. Seine verantwortungslosen Einlassungen scheinen derzeit leider ein großes Publikum zu finden. Es ist das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass ein einzelner Lungenfacharzt den globalen wissenschaftlichen Konsens nonchalant infrage stellt. Dabei verbreitet Wodarg nachweislich Unsinn: Covid-19 ist aus einer Reihe von Gründen sowohl ansteckender als auch tödlicher als eine normale Grippeepidemie.
2. "Ich bin jung, mich betrifft das alles nicht."
Ich will mich hier jetzt nicht mehr lang über Corona-Partys oder dieses erschütternde Spring-Break-Video aus den USA auslassen, über Leute, die sich in Parks und anderswo zu privaten Großveranstaltungen zusammenfinden oder die, die sich einfach ein bisschen zu cool finden, sich um die Pandemie groß zu kümmern. Wer glaubt, er sei von Covid-19 nicht betroffen und müsse das mit demonstrativem Nichteinhalten der nun wahrlich breit kommunizierten Maßnahmen unter Beweis stellen, dem sei Folgendes gesagt:
- Wenn es Ihnen tatsächlich nur um Sie selbst geht (was an sich schon tief blicken ließe), dann werfen Sie doch mal einen kurzen Blick auf die Zahlen der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde: Demnach waren 20 Prozent der positiv auf Covid-19 getesteten Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, zwischen 20 und 44 Jahre alt, und zwei bis vier Prozent mussten intensivmedizinisch behandelt werden. Die Todesrate in dieser Altersgruppe lag unter einem Prozent, aber sie war nicht null. Man muss schon ein eigentümliches Verständnis von Freiheit und Coolness haben, um einen Platz auf der Intensivstation mit Hauptgewinn Erstickungstod attraktiv zu finden.
- In Wahrheit geht es eben auch gar nicht um Sie, selbst wenn Sie zum obigen Punkt noch mit den Schultern gezuckt haben sollten. Es geht um ältere Leute, also um Omas, Opas, Tanten, Onkel, Eltern, um liebgewonnene Freunde und Nachbarn. Und um Menschen jeden Alters, auch Kinder, mit Erkrankungen des Immunsystems, mit geschädigtem oder unterdrücktem Immunsystem - etwa durch eine Chemotherapie, mit Atemwegserkrankungen, mit Diabetes. Sicher: Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass all diese Gefährdeten, wenn sie Pech haben, eben auf überfüllten Intensivstationen qualvoll ersticken müssen. Der eigenen Coolness und Freiheit zuliebe. Dann ist man aber ein mit den Werten unserer Gesellschaft inkompatibler Soziopath.
An der Verbreitung dieses nachweislich unsinnigen Satzes sind leider auch Behörden und andere offizielle Stellen hierzulande und anderswo schuld. Sie haben diese falsche Information aus durchaus nachvollziehbaren Gründen in die Welt gesetzt: Natürlich ist es vor allem wichtig, dass medizinisches Personal und andere, die mit nachweislich Erkrankten Kontakt haben müssen, über die notwendige Schutzausrüstung verfügen. Und es ist deshalb richtig, dass die offenbar zum Hamstern neigenden Deutschen nicht lebensnotwendiges Material wegkaufen und horten sollten. Wir werden aber in den nächsten Tagen und Wochen mehr und mehr Menschen sehen, die auf Deutschlands Straßen mit einem OP-Mundschutz oder Staubmasken aus dem Baumarkt herumlaufen. Das ist auch absolut sinnvoll.
Zunächst einmal aus dem gleichen Grund, aus dem wir mittlerweile auch Abstand voneinander halten, in die Armbeuge husten, das Händeschütteln unterlassen: Ansteckungsprävention basiert auf der Annahme, dass jeder und jede potenziell ansteckend sein könnte. Und eine einfache OP-Maske verhindert, dass man seine Tröpfchen in die Gegend hustet oder niest. Wer sie trägt, tut seiner Umwelt also einen Gefallen und markiert sich damit keineswegs als Virenträger.
Außerdem reduzieren Masken, besonders diejenigen, die sehr engmaschig sind und dicht abschließen, selbstverständlich (und nachweislich) das Ansteckungsrisiko. Deshalb trägt Klinikpersonal sie ja. Im Moment wird man in Deutschland vielerorts wie ein Aussätziger behandelt, wenn man einen Mundschutz trägt. Das muss sich schleunigst ändern, denn es kann nicht sein, dass Leute, die sich aktiv gegen eine Verbreitung des Virus einsetzen, dafür bestraft werden.
Außerdem reduzieren Masken, besonders diejenigen, die sehr engmaschig sind und dicht abschließen, selbstverständlich (und nachweislich) das Ansteckungsrisiko. Deshalb trägt Klinikpersonal sie ja. Im Moment wird man in Deutschland vielerorts wie ein Aussätziger behandelt, wenn man einen Mundschutz trägt. Das muss sich schleunigst ändern, denn es kann nicht sein, dass Leute, die sich aktiv gegen eine Verbreitung des Virus einsetzen, dafür bestraft werden.